Endlich ist es soweit: nach einigen Leermonaten steigen die Gehälter der Beschäftigten bei vielen Unternehmen der Telekom mit der Juli-Abrechnung in Abhängigkeit von der Entgeltgruppe um 2,6 bis 3 Prozent.
Auch die Vergütungen der Auszubildenden und Dual Studierenden steigen deutlich.
Das Ergebnis der Telekom Tarifrunde 2020 wurde ausschließlich auf dem Weg der Verhandlungen – also ohne einen einzigen Warnstreiktag – erreicht. Wer die letzten Tarifrunden verfolgt hat, bei denen es immer deutlicher Warnstreiks bedurfte, um ein einigermaßen akzeptables Angebot des Managements zu erreichen, wundert sich. Allerdings stand nicht nur unsere Gewerkschaft vor der Frage, wie eine Tarifauseinandersetzung unter den Vorzeichen der Pandemie geführt werden kann: Auch das Telekom-Management war angesichts der Bedeutung der Telekommunikation bei Lockdown und Home-Office erheblich unter Druck. Anders lässt sich dieses Ergebnis nicht erklären.
Im Ergebnis bedeutet der Tarifabschluss eine Entgeltsteigerung, die über der prognostizierten Inflationsrate (Preissteigerung) von unter 2 Prozent liegt. Das wäre ein klarer Nettolohnzuwachs (die Löhne steigen stärker, als die Verbraucherpreise). Im Gegenzug muss allerdings festgestellt werden, dass die in Summe 4 Jahre ohne aktiver Auseinandersetzung und Warnstreiks die Durchsetzungsfähigkeit der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft schwächen wird. Gerade bei Warnstreiks organisieren sich die Kolleginnen und Kollegen in der Gewerkschaft und beteiligen sich aktiv an den notwendigen Auseinandersetzungen.
Dies und die Tatsache, dass es deutlich schwieriger ist, die KollegInnen im Homeoffice oder in der Telearbeit für die Arbeitskämpfe zu mobilisieren, egal ob es um Lohnsteigerungen, Arbeitszeitverkürzung oder Kündigungsschutz geht, schwächt die Position der Beschäftigten gegenüber dem Management und dem Unternehmen.
Wer sich die Entwicklung der Inflationsrate im Detail anschaut, wird feststellen, dass sich die Preise der einzelnen Warengruppen sehr unterschiedlich entwickelt haben. Während die Preise bei Unterhaltungselektronik, sogenannten Weißwaren (Wasch- und Spülmaschinen, Kühlschränke etc.) und im Maschinenbau deutlich gesunken sind, haben Lebensmittel, wie Gemüse, Obst und Getreideprodukte zum Teil Preissteigerungen von bis zu 10 Prozent erfahren. Das trifft vor allem die unteren Entgeltgruppen, die den größten Teil ihres Monatseinkommens für die Lebenshaltung ausgeben. Ob für diese Kolleginnen und Kollegen am Ende der Tarifvertragslaufzeit tatsächlich ein Plus bleibt, darf stark bezweifelt werden.
Die aktuelle Corona-Krise bringt weitere Unsicherheiten. Schon jetzt lässt sich absehen, dass viele Unternehmen die Krise nutzen, um Personalkosten zu senken. Das bedeutet Entlassungen und steigende Arbeitslosigkeit. Das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt nimmt zu. Der Preis unserer Arbeitskraft verhält sich aber wie der Preis jeder anderen Ware: Ist das Angebot höher als die Nachfrage, dann drückt das die Preise (in diesem Fall unsere Gehälter).
Und gerade bei den Gütern, die für den Lebensunterhalt notwendig sind, könnten sich Corona – Krise und Lockdown auswirken: Das Warenangebot – gerade bei Lebensmitteln – ist gesunken. Da es sich aber um notwendige Waren handelt, kann die Nachfrage nicht beliebig sinken. Das kann dazu führen, dass in bestimmten Warensegmenten die Preise deutlich über die durchschnittliche Inflation steigen.
Unabhängig davon, wie sich Wirtschaft und Gesellschaft in den kommenden Monaten entwickeln, unsere Lebensbedingungen als Beschäftigte hängen wesentlich davon ab, ob wir höhere Löhne und sichere Arbeitsplätze tatsächlich durchsetzen können. Dazu müssen wir uns zusammenschließen und organisieren. Die Gewerkschaft bietet dazu die beste Möglichkeit. Und dort können wir auch darüber reden, wie wir trotz Homeoffice, Mobile Working und Agilem Arbeiten unsere Interessen nach höheren Löhnen, sicheren Arbeitsplätzen und kürzeren Arbeitszeiten (der Vereinbarkeit von Beruf und Familie) durchsetzen können. Das funktioniert nicht einzeln, alleine und individuell, sondern nur im Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen, die sich die gleichen Fragen stellen.
Wer noch nicht Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, ist herzlich eingeladen, mitzumachen. Wer schon Mitglied ist, sollte mit den Kolleginnen und Kollegen reden, die diesen Schritt noch nicht gemacht haben.
0 Kommentare