ver.di-Betriebsgruppe Telekom Südhessen

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Der geschrumpfte Schrank

21. März 2019

Die meisten Menschen verbinden mit dem Begriff „Zukunft“ positive Vorstellungen. Viele erwarten, dass aufgrund der weiteren wissenschaftlichen Erkenntnisse und des technischen Fortschritts das Leben einfacher und interessanter wird. Wenn der Telekom-Konzern Maßnahmen mit dem Wort „Zukunft“ im Namen vorantreibt, befürchten wir Beschäftigte hingegen schon lange, dass es für uns nicht besser wird, sondern dass mal wieder ausschließlich die Aktionäre profitieren.

Diese Erfahrung hat sich auch beim Thema „Future Work“ bestätigt, das schon vor Jahren unter Marion Schick, der Vorvorgängerin der aktuellen Arbeitsdirektorin des Konzerns, begonnen hatte. In Pilotprojekten wurden Kolleginnen und Kollegen die gewohnten persönlichen Plätze in den Büros weggenommen. Wie moderne Nomaden sollten sie flexibel einen gerade freien Platz suchen und ihn nach der Arbeit nackt und leergeräumt hinterlassen. Zugleich wurde den Beschäftigten das „Mobile Working“ erlaubt, also die Arbeit im „Home Office“, Café oder sonstwo. Längst haben andere Firmen wie IBM diesen Schritt als Irrweg erkannt, die Versuche gestoppt und die Menschen zurück in die Büros geholt.

Typisch für die Pilotprojekte und Musterflächen für „Future Work“ war die großzügige, hochwertige und schicke Ausstattung der Räumlichkeiten. Dieser Ansatz wurde allerdings bei der Einrichtung weiterer „offener“ Bürolandschaften wie z.B. in der Ida-Rhodes-Straße 2 oder im Altbau im Landgrabenweg in Bonn aus Kostengründen nicht weiterverfolgt. Vielmehr erinnern diese Zellenbüros und Großraumbüros eher an Krankenzimmer oder an die Ruderbänke in einer Galeere.

Richtig Fahrt nahm „Future Work“ mit dem Projekt PASS der GSUS auf. GSUS ist als konzerninterner Immobilienverwalter direkt dem Finanzvorstand unterstellt. In dieser Rolle würden die Kolleginnen und Kollegen von GSUS sicher gerne für die Tätigkeiten bei der Telekom die beste Umgebung bereitstellen und so die Arbeitsprozesse optimal unterstützen. Sie haben aber andere Vorgaben, denn der Vorstand hat auf dem letzten Kapitalmarkttag den Aktionären versprochen, mehr als 400 Millionen Euro an Immobilienkosten einzusparen. Dieses Ziel muss GSUS im Projekt PASS rücksichtslos umsetzen. Schon in den vergangenen Jahren hatte der Konzern die meisten Büroimmobilien an Investoren verkauft und dann wieder angemietet. Jetzt werden im großen Stil Flächen abgemietet, Arbeitsplätze werden abgebaut und verdichtet. Für GSUS ist es zweitrangig, welche qualitativen und quantitativen Bedarfe an den Standorten tatsächlich bestehen. Wichtiger ist, welcher Mietvertrag kurzfristig beendet werden kann. Der Mangel an Büroraum wird dann durch hohe Desk-Sharing-Quoten und abschreckend unattraktive Arbeitsumgebungen kaschiert.

In Darmstadt werden aktuell im Projekt „Campus Darmstadt“ von GSUS durch die Abmietung von Gebäuden in der Mina-Rees-Straße, in der Telekom-Allee 7 und der Hälfte der T-Online-Allee 1 insgesamt 2500 Büroarbeitsplätze vernichtet. Selbst wenn man den durch den Personalabbau der vergangenen Jahre entstandenen Leerstand abzieht, fehlt künftig Büroraum für mehr als 1000 Menschen. Entsprechend viel Druck macht das Projekt, um die Kolleginnen und Kollegen in die verkleinerte Fläche hineinzuquetschen.

Um die notwendige Desk-Sharing-Quote zu erreichen, fördert der Konzern gezielt, dass Beschäftigte häufiger im „Mobile Working“ von Zuhause aus arbeiten und an diesen Tagen keinen Arbeitsplatz in Darmstadt belegen. Gleichzeitig werden Sozialeinrichtungen wie die Kantine in der T-Online-Allee 1 geschlossen und die Arbeitssituation in den Büros so verschlechtert, dass die Beschäftigten freiwillig nur dann auf den Campus kommen, wenn Besprechungstermine oder Ähnliches hierzu zwingen.

Übrigens kollidiert die Ausweitung des „Home Office“ mit den brutalen Personalabbaumaßnahmen durch Standortschließungen in den letzten Jahren. Beispielsweise legt das Management der DTSE die Erlaubnis zum „Mobile Working“ bewusst so aus, dass damit lediglich die Arbeit an anderen DTSE-Standorten gemeint sei, ein Arbeiten von Zuhause aber nicht. Dabei wäre gerade letzteres besonders attraktiv für die Kolleginnen und Kollegen, die nach der Schließung ihrer früheren Standorte extrem weite Arbeitswege nach Darmstadt auf sich nehmen müssen. Aber wer durch Standortschließung Mitarbeiter aus dem Konzern drängen will, der legt natürlich gerade keinen Wert auf gute Arbeitsbedingungen und kurze Arbeitswege.

Was den Kolleginnen und Kollegen im Desk-Sharing an persönlichem Raum noch bleibt, ist ein abschließbares Schrankfach, wo sie neben dem dienstlichen Notebook, der Tastatur und Maus auch wenige persönliche Gegenstände aufbewahren dürfen. Nun hat man im Projekt „Campus Darmstadt“ erkannt, dass man die Arbeitssituation noch unattraktiver gestalten kann, indem man diesen letzten persönlichen Aufbewahrungsraum gezielt weiter verkleinert. Bei dem Einzug in die Ida-Rhodes-Straße 2 stand jedem Beschäftigten noch ein Rollcontainer und zusätzlich ein abschließbarer Schrank mit 230 Litern Fassungsvermögen zu. Schon das bedeutete für viele Kolleginnen und Kollegen eine deutliche Einschränkung, weshalb viele gedruckte Dokumente, auch Seminarunterlagen oder Handbücher, weggeworfen werden mussten. Inzwischen ist dem Arbeitgeber allerdings aufgefallen, dass selbst die persönlichen Rollcontainer bei immer höheren Desk-Sharing-Quoten keinen Platz mehr finden. Daraufhin wurden diese Rollcontainer einfach aus dem Büromöbelprogramm gestrichen. Die Beschäftigten sollen sich gefälligst mit einem Pilotenkoffer oder einem Rucksack zufriedengeben. In der Musterfläche in der T-Online-Allee 1 fanden sich daher nur noch die aktuell auch in Bonn üblichen Schränke mit einem Fach für den Pilotenkoffer und zwei weiteren kleinen Fächern mit in Summe 140 Litern Volumen pro Beschäftigtem.

Während der Verhandlung zur BV Desk-Sharing der DT IT GmbH fiel dem Betriebsrat auf, dass die inzwischen in der Heinrich-Hertz-Str. 3-7 angelieferten Schränke nur noch 75 Liter Platz bieten. In ein solches Fach passt gerade mal noch der Pilotenkoffer und keinerlei weitere (persönliche) Gegenstände. Die hierauf angesprochene Arbeitgeberseite antwortete, dass nach Angaben von GSUS die Schränke ausreichend Platz bieten, wenn zukünftig PC-Tastaturen ohne Nummerblock eingesetzt werden. Auch das Projekt „Campus Darmstadt“ reagierte unverzüglich: man tauschte einfach den Schrank auf der Musterfläche gegen den kleineren aus. In der gleichen Woche gab der Vorstand der Telekom auf seiner Jahrespressekonferenz bekannt, dass die Dividende je Aktie im fünften Jahr in Folge um 5 Cent auf dann 70 Cent steigen soll.

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