ver.di-Betriebsgruppe Telekom Südhessen

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Worin besteht eigentlich die Macht der Gewerkschaften?

„Wenn du etwas verändern willst, musst du es erst einmal verstehen“:

Mit diesem Text starten wir eine Diskussion über die Tarifpolitik im Fachbereich in Hessen, nach dieser doch sehr speziellen Tarifrunde bei der Telekom, ohne Mobilisierung, ohne Aktionen, mit gutem Ergebnis und einem Zeithorizont in 2022.
Schon im Vorfeld der Tarifrunde, erst recht aber in der Nachbereitung wurde deutlich: Wir müssen besser werden! Besser werden in unserer Verankerung in den Betrieben, besser werden in unserer Konfliktfähigkeit, besser werden in der Kommunikation mit den Beschäftigten, besser werden in den Grabenkämpfen der betrieblichen Diskussionen und in den Social Media.
Für diese Verbesserung sollten wir jedoch erst einmal verstehen, worin gewerkschaftliche Macht besteht, wo sie herrührt, was sie einschränkt. Ein Ansatz zum Verständnis können wir im sogenannten Machtressourcenansatz von Soziologen um Klaus Dörre in Jena finden.

„Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!“

Zunächst gibt es so etwas wie eine primäre Macht, eine strukturelle Macht: Sie besteht in der Fähigkeit zu stören und damit die Kapitalverwertung zu unterbrechen oder einzuschränken. Klassisch realisiert sich diese Macht im Streik, eine Variante ist die Macht am Arbeitsmarkt, wenn die eigenen Skills so selten sind, dass sie im Preis steigen.

„Allein machen sie dich ein“

In der nächsten Stufe entsteht durch den Zusammenschluss zu kollektiven politischen oder gewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen die Macht der Organisation: Betriebsräte, Gewerkschaften, Arbeiterparteien. Um auch hinreichend konflikt- und strategiefähig zu sein, brauchen Gewerkschaften eine Reihe von Elementen: genügend hohe Mitgliederzahlen, eine effiziente Infrastruktur, die Partizipation ihrer Mitglieder und organisatorische Flexibilität.

„Die Deutschland-AG“

Im sogenannten „Rheinischen Kapitalismus“ hat sich eine weitere Facette gewerkschaftlicher Macht entwickelt: die Macht der Institution. Sie ist das Resultat von Kämpfen und Aushandlungsprozessen und realisiert sich zum Beispiel in Letter-of-Intents, in Beschäftigungssicherungstarifverträgen oder Sozialplänen: „Wenn wir es schon nicht verändern können, wollen wir es wenigstens gestalten.“ In dieser Spannung liegt aber zugleich der Doppelcharakter der institutionellen Macht: Weitgehende Rechte gehen mit einer Einschränkung der Handlungsfähigkeit einher.

„Samstags gehört Vati mir“

Dieser Slogan aus den 50er Jahren beschreibt eine der historischen Situationen, in denen die Gewerkschaften ihre gesellschaftliche Macht realisiert haben: Die Kampagne für den freien Samstag war erfolgreich, weil dieses gewerkschaftliche Anliegen von der Gesamtbevölkerung als gerecht empfunden wurde. Sowohl diese Hegemoniefähigkeit als auch die erfolgreiche Darstellung der Problemlösungskompetenz der Gewerkschaften gehören zu dieser Machtressource.
Alle vier Machtressourcen verhalten sich sehr komplex zueinander, aber eines lässt sich festhalten: Ohne die primäre, strukturelle Macht halten die anderen drei nicht lange.